Interview zu Krankenhaus und Pflegeschule in Wilhelmsburg im Linksinsulaner

Die Mitarbeiter*innen haben aus der Zeitung von der drohenden Schließung des Krankenhauses erfahren. Ist die finanzielle Schieflage des Krankenhauses denn so neu?

Nein, bereits im letzten Jahr war bekannt geworden, dass Groß-Sand defizitär arbeitet und ein Verkauf beabsichtigt wurde. Aber mit der Schließung der Pflegeschule sowie der beabsichtigen Aufgabe der Chirurgie schafft das Erzbistum ein Stück weit vollendete Tatsachen.Und den Unmut in der Belegschaft kann ich sehr gut nachvollziehen: Sie werden in diesem Prozess nicht miteinbezogen und erfahren vieles nur aus der Presse…

Grundsätzlich muss aber auch gesagt werden, dass das strukturelle Problem nicht beim Erzbistum, sondern im Krankenhausfinanzierungssystem liegt. Das System der Fallpauschalen unterwirft die Krankenhäuser einem knallharten Wettbewerb und die Versorgung orientiert sich immer mehr an wirtschaftlichen Vorgaben und nicht nach den medizinischen Bedarfen. Und Krankenhäuser wie z.B. Groß Sand, die sich nicht wie die privaten Häuser zu Profitcenter umwandeln, haben große Schwierigkeiten unter diesen Bedingungen zu überleben. Deshalb wollen wir die Fallpauschalen abnschaffen und die Kommerzialisierung im Gesundheitswesen beenden.

Das Erzbistum hat lange zur Zukunft des Krankenhauses geschwiegen. Was wissen wir heute über die Pläne des Erzbistums zum Krankenhaus Groß Sand?

Das Erzbistum hat leider seine Pläne bis heute nicht offengelegt. Es wird vage von einer Umstrukturierung gesprochen. Das bedeutet zunächst die Schließung der Pflegeschule und wahrscheinlich in der Zukunft auch die Schließung ganzer Fachabteilungen im Krankenhaus. Wir haben durch eine Anfrage an den Senat erfahren, dass die Geschäftsführung den Versorgungsauftrag für die Chirurgie nicht länger übernehmen will. Wenn aber die Chirurgie nicht weiter betrieben wird, ist auch der Betrieb einer Notaufnahme sehr unwahrscheinlich. Am Ende drohen die Schließung des kompletten Krankenhauses oder der Erhalt von lediglich rentablen Bereichen, wie z.B. der Bereich der Früh-Reha.

Welche Bedeutung hat das Krankenhaus Groß Sand aus Sicht der LINKEN für Wilhelmsburg und für die medizinische Versorgung südlich der Elbe?

Für Wilhelmsburg mit über 50.000 Einwohner*innen muss das Krankenhaus mit Grund- und Notfallversorgung unbedingt erhalten bleiben. Bereits jetzt sind die Stadtteile südlich der Elbe mit lediglich drei Krankenhäusern strukturell benachteiligt. Außerdem gibt es eine sehr gute Kooperation zwischen den Arztpraxen im Stadtteil und dem Krankenhaus Groß-Sand. Die Corona-Krise hat deutlich gemacht, welch überragende Bedeutung eine wohnortnahe medizinische Versorgung hat. Krankenhäuser sind keine Fabriken, sondern zentrale Bereiche der Daseinsvorsorge. Statt Renditeorientierung muss der medizinische Bedarf vor Ort ausschlaggebend sein.

Und was wäre aus Sicht der LINKEN ein tragfähiges Konzept für die Zukunft und den Erhalt des Krankenhauses in Wilhelmsburg? Wäre zum Beispiel ein Medizinisches Versorgungszentrum oder ein Gesundheitskiosk, wie es ihn in Billstedt gibt eine denkbare Alternative?

Nein, ein medizinisches Versorgungszentrum beschränkt sich nur auf ambulante Angebote und kann daher die entstehende Versorgungslücke nicht füllen. Außerdem gibt es bereits medizinische Versorgungszentren im Stadtteil. Und auch Beratungsangebote durch einen Gesundheitskiosk, kann ein stationäres Angebot nicht ersetzen. Wir brauchen weiterhin ein leistungsfähiges Krankenhaus mit Grund- und Notfallversorgung.

Das Schicksal der Krankenpflegeschule ist bereits besiegelt – zum 1. Oktober wird sie geschlossen. Die Klinik begründet dies mit höheren Kosten aufgrund des neuen Pflegeberufegesetzes und der zunehmenden Digitalisierung. Stimmt das? Ist die Ausbildung für Krankenhäuser ein weiterer Kostenfaktor?

Nein, die Kosten der generalisierten Ausbildung werden vollständig vom Ausbildungsfonds getragen. Für die Digitalisierung stehen durch den Pakt für Digitalisierung ebenfalls ausreichende Mittel zur Verfügung. Daher ist die Argumentation des Bistums widerlegt und daher für uns auch nicht nachvollziehbar.

Wieso sollte es nach Ansicht der LINKEN auch weiterhin eine Krankenpflegeschule in Wilhelmsburg geben?

Die Pflegeschule in Wilhelmsburg ist aufgrund der hohen Abschluss- und niedrigen Abbruchquoten im Hamburger Vergleich eine exzellente Einrichtung. Und Angesicht des niedrigschwelligen Angebots für junge Menschen ohne deutschen Pass leistet die Schule einen großen Beitrag für die Integration dieser Zielgruppe. Angesichts des Pflegenotstands und dem großen Bedarf an angehenden Pflegekräften, wäre es geradezu wahnsinnig eine sehr gute Pflegeschule wie in Groß-Sand zu schließen.

Wie könnten das Krankenhaus und die Krankenpflegeschule gerettet werden und was fordert DIE LINKE?

Krankenhäuser gehören zur Daseinsvorsorge. Wenn der Träger nicht in der Lage ist die Versorgung sicherzustellen, dann sehen wir den Senat in der Pflicht. Die Stadt muss zur Not sich an dem Krankenhaus und an der Pflegeschule beteiligen. In der Corona-Krise hat der Senat davon gesprochen, dass Krankenhäuser systemrelevant sind. Wenn die Stadt aufgrund der Krise eine Milliarde Euro für Beteiligungen an Unternehmen plant, aber nicht willens ist die Schließung des Krankenhauses zu verhindern, dann ist das niemanden zu vermitteln.

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