Hamburger Krankenhäuser zurück in die öffentliche Hand!

Analyse von Deniz Celik

Privatisierung der Hamburger Krankenhäuser 2006: Ausverkauf der Interessen der Bevölkerung

Die Privatisierung der städtischen Krankenhäuser im Jahr 2005 war eine der größten Schandtaten, die der damalige CDU-Senat unter Ole von Beust angerichtet hat. Obwohl die Hamburgerinnen und Hamburger sich beim Volksentscheid mit der überwältigenden Mehrheit von 76,8 Prozent gegen die Privatisierung der Krankenhäuser ausgesprochen haben, setzte sich der damalige Senat darüber hinweg und verkaufte die Mehrheitsanteile an Asklepios. Diese grobe Missachtung des klar ausgedrückten Willens der Hamburger Bevölkerung erschütterte das Vertrauen in die Demokratie und leitete den Ausverkauf der Interessen der Hamburger Bevölkerung in mehrfacher Hinsicht ein. Die Stadt hat in einem zentralen Bereich der Daseinsvorsorge, der Krankenhausversorgung, über Nacht ihre demokratischen Kontroll- und Gestaltungsmöglichkeiten verloren.

Senatsvertreter*innen im Asklepios-Aufsichtsrat sind zum Abnicken verdammt

Es wurde damals behauptet, die Stadt würde wesentliche Mitspracherechte behalten, weil sie mit 25,1 Prozent immer noch an den Asklepios-Kliniken beteiligt sei. Das stimmt aber nicht, denn die vom damaligen  Senat ausgehandelten Geheimverträge besagen etwas anderes. Die Vertreter*innen der Stadt haben keinen wesentlichen Einfluss, sondern sind auf ihre Rolle als Lakaien festgelegt. So müssen z. B. die drei Senatsvertreter*innen im Aufsichtsrat den von Asklepios vorgeschlagenen Geschäftsführer abnicken oder sie fliegen aus dem Aufsichtsrat. Bei Entscheidungen über Wirtschaftsplan und die Gewinnziele können die städtischen Vertreter mit einfacher Mehrheit durch den Mehrheitseigner Asklepios überstimmt werden, was bei einem städtischen Anteil von 25,1 Prozent nicht schwierig ist. Hinter der Fassade der städtischen Miteigentümerschaft verbargen die Regierenden über all die Jahre die bedingungslose Unterwerfung der Stadt unter Asklepios. Die städtische Beteiligung hat sich als nichts mehr als eine Farce entpuppt.

Und auch finanziell war der Ausverkauf der städtischen Interessen dreist und maßlos. Der Kaufpreis wurde mit 318 Millionen skandalös niedrig angesetzt und nicht einmal diese Summe musste Asklepios bezahlen, denn vom Kaufpreis wurden noch einmal 75 Mio. erlassen, so dass letztendlich nur 243 Millionen Euro für sechs der elf größten Krankenhäuser Hamburgs, die ca. 42 Prozent der Hamburger Krankenhausbetten stellen, gezahlt wurden. Asklepios zahlte vom Kaufpreis lediglich 19 Millionen Euro aus Eigenmitteln. Wie auf dem Fischmarkt packte die Stadt dann noch „ein’ obendruff“ und überließ Asklepios die Grundstücke miet- und pachtfrei für die nächsten 60 Jahre. Der aktuelle Kaufwert der Hamburger Asklepios-Kliniken wird mit eine Milliarde Euro beziffert, also mehr als das Dreifache der ursprünglichen Kaufsumme (ca. 25 Prozent Gewinn pro Jahr allein durch Wertsteigerung). Das wirft ein Licht darauf, in welch riesigem Ausmaß der CDU-Senat das Vermögen der Stadt veruntreut hat.
Auswirkungen der Privatisierung

Mehr als zwölf Jahre nach der Privatisierung sieht die Bilanz düster aus: Die allgemeine Ökonomisierung der Krankenhäuser wird in den Asklepios-Kliniken auf die Spitze getrieben. Privatisierung und Ökonomisierung bedeuten ja nicht per se Effizienzsteigerung, sondern zunächst einmal nur einen Wechsel des Zwecks von guter Gesundheitsversorgung zur Profitmaximierung privatwirtschaftlichen Kapitals. Möglichst viel Profit soll erzielt werden und das passiert auf dem Rücken der Beschäftigten, die ausgequetscht werden und damit auch auf Kosten der Patient*innen. Allein im letzten Jahr hat Asklepios 60 Millionen Euro Jahresüberschuss erzielt. Die Profitorientierung hat ihren Preis: Pflegekräfte beklagen schlechte Arbeitsbedingungen und berichten von Personalmangel, Kostendruck und steigender Arbeitsdichte. Ärzt*innen werden an wirtschaftlichen Kennzahlen gemessen statt an Heilerfolgen. Bei Nichterfüllung der betriebswirtschaftlichen Zielvorgaben, werden sogar ganze Abteilungen geschlossen. Patienten werden als Fallpauschalen betrachtet und nur danach beurteilt, wie viel Gewinn mit ihnen zu machen ist.

Was DIE LINKE kritisiert, darauf ist Asklepios auch noch stolz. Asklepios lobt sich im Geschäftsbericht folgendermaßen: „Durch ein konzentriertes Personalmanagement sowie Leistungssteigerungen in den einzelnen Häusern verfolgen sämtliche Kliniken des Konzerns weiterhin das Ziel, eine Steigerung des Umsatzes in Relation zum Personalaufwand zu erreichen, um die Produktivität der Einrichtungen zusätzlich zu steigern.“ (Konzernabschluss Asklepios Kliniken Hamburg GmbH 2012)

Das Sparen am Personal hat entsprechend Auswirkungen auf die Versorgungsqualität. Erst vor ein paar Monaten schrieben 19 Ärzt*innen aus der Klinik St.Georg in einem Brandbrief, dass sie aufgrund massiver Überlastung und unbesetzter Stellen am Ende ihrer Kräfte seien und das Risiko von schwerwiegenden ärztlichen Fehlern täglich steige. Im letzten Jahr gab es laut Magazin DER SPIEGEL ganze 5.200 Gefährdungsanzeigen in den Asklepios-Kliniken! Die Anzahl der Gefährdungsanzeigen in AK St.Georg hat sich verdoppelt.

Die Privatisierung der Krankenhäuser hat dazu geführt, dass Renditeziele und Gewinndruck zulasten einer menschenwürdigen und bedarfsorientierten Gesundheitsversorgung in den Mittelpunkt rücken. Patient*innen werden zu Objekten, die eine möglichst lukrative Fallpauschale erwarten lassen sollen. Das Krankenhauspersonal wird als Kostenfaktor betrachtet, der den Gewinn möglichst wenig schmälern soll. Wenn zur Erzielung von hohen Gewinnmargen am (Pflege-) Personal gespart wird, dann steigt die Patientengefährdung. Wo es um Gesundheit geht, darf es keine Profitmaximierung auf dem Rücken von Patient*innen und Beschäftigten geben. Die Krankenversorgung ist ein Kernbereich der Daseinsvorsorge und wird zu 100 Prozent gemeinsam von der Solidargemeinschaft der Versichterten und Steuerzahler*innen finanziert. Die für die Gesundheitsversorgung bereit gestellten Mittel aus der Solidargemeinschaft dürfen nicht als Profite aus dem Gesundheitssystem abgeschöpft werden.
Die Notwendigkeit einer Rekommunalisierung

Mit dem Hinweis auf die angebliche Kostenexplosion im Gesundheitswesen haben die regierenden, neoliberalen Parteien als Patentrezept mehr Wettbewerb, mehr Markt, mehr Privatisierung ausgegeben und die Ökonomisierung im Gesundheitswesen vorangetrieben. Im Jahr 2004 wurden Fallpauschalen (DRGs) eingeführt. Durch den Systemwechsel müssen alle Krankenhäuser wie Unternehmen handeln und schwarze Zahlen schreiben, um langfristig überleben zu können. Aus diesem Grund herrschen auch in weiterhin kommunalen Krankenhäusern Kostendruck und Sparzwänge. Dennoch gibt es nach wie vor erhebliche Unterschiede zwischen kommunalen und privaten Krankenhäusern. Deshalb ist die Rekommunalisierung der ehemaligen LBK-Krankenhäuser aus vielen Gründen wichtig und notwendig:

  1. Erstens Die Hamburger*innen könnten durch die Rekommunalisierung der Krankenhäuser wieder die demokratische Kontrolle und Gestaltungsfähigkeit über weite Teile der Krankenhausversorgung als Daseinsvorsorge zurückerlangen. Das Krankenhauspersonal müsste sich nicht mehr nach den partikularen Interessen von privaten Investoren richten, sondern wäre dem Gemeinwohl verpflichtet und könnte sich auf eine gute, hochwertige Versorgung konzentrieren. Aufsicht und Kontrolle lägen nicht mehr bei privaten Gesellschaftern, die Gewinnmaximierung anstreben, sondern bei demokratisch legitimierten Gremien, die gegenüber der Hamburger Bevölkerung rechenschaftspflichtig sind.
  2. Die Rekommunalisierung der Krankenhäuser würde die Qualität der Krankenhausversorgung in Hamburg erhöhen und das Risiko der Patientengefährdung reduzieren. Im Unterschied zu kommunalen Krankenhäusern streben private Konzerne wie Asklepios zweistellige Gewinnmargen an, die nur erzielt werden können, wenn massiv am Personal, insbesondere bei den Pflegekräften, gespart wird (Die Personalkosten in Krankenhäusern liegen in der Regel bei 60 bis 70 Prozent der Gesamtkosten. Da bleibt nicht so viel anderes, an dem man sparen könnte). Die Folgen der mangelnden Personalausstattung sind häufig Arbeitsverdichtung (mehr Patienten mit weniger Personal versorgen, nichtgenommene Pausen etc.), höhere Fehlerquoten und weniger Patientensicherheit. Wissenschaftliche Studien besagen, dass mit jedem Patient*innen, den eine Pflegekraft mehr betreuen muss, das Risiko der Patient*innen, innerhalb von 30 Tagen nach der Einlieferung zu sterben, um sieben Prozent steigt. Bei kommunalen Krankenhäusern kann dagegen mit Gemeinwohl-Orientierung eine Gewinnmaximierung auf dem Rücken der Beschäftigten und Patient*innen verhindert werden.
  3. Mit der Rekommunalisierung kann sichergestellt werden, dass die aus der Solidargemeinschaft zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel im Gesundheitssystem bleiben und ausschließlich der Hamburger Krankenhausversorgung zugutekommen. Private Investoren und Spekulanten könnten sich nicht auf Kosten der Allgemeinheit die Gelder privat aneignen und sich so bereichern. Die erzielten Überschüsse würden vollständig den Patient*innen und Beschäftigten zugute kommen. Zwar hat Asklepios laut Senatsangaben trotz riesiger Gewinne keine Ausschüttung vorgenommen. Jedoch ist zu erwarten, dass der Eigentümer Broermann seinen Einsatz in absehbarer Zeit vergolden wird, z.B. bei einem zukünftigen Börsengang der Asklepios-Kliniken.
  4. Die Mitbestimmung könnte ausgebaut und damit mehr Transparenz und bessere Arbeitsbedingungen geschaffen werden. Ähnlich wie bei der Rekommunalisierung der Energienetze, gäbe es die Chance, unter Einbeziehung der Gewerkschaften und Patientenvertretungen mehr demokratische Mitbestimmung und eine größere Verhandlungsmacht der Beschäftigten durchzusetzen. Das wäre bei einem privaten Konzern wie Asklepios undenkbar.

Wege zur Rekommunaliserung der Krankenhäuser

Ein Volksentscheid zur Rekommunalisierung der Asklepios Krankenhäuser steht vor ganz anderen Herausforderungen als die Rekommunalisierung der Energienetze, denn bei der Privatisierung der Energienetze wurden lediglich zeitlich befristete Netzkonzessionen privat vergeben, so dass ein echter Hebel bestand, die Netze wieder zurück in die öffentliche Hand zu bringen. Die LBK-Krankenhäuser hingegen wurden verkauft.

Eine Enteignung der Krankenhäuser dürfte aufgrund der hohen juristischen Hürden rechtlich nicht durchsetzbar sein. Es müssten massive Funktionsstörungen der Gesundheitsversorgung, wie z.B. die massive Häufung von Nichtbehandlung, Behandlungsfehlern und Todesfällen infolge der Privatisierung nachgewiesen werden. Das ist z.Zt. nach unserem Kenntnisstand nicht der Fall. Zudem kann eine Enteignung sehr hohe Entschädigungsansprüche nach sich ziehen.

Ob eine Rückabwicklung der Verträge möglich wäre, kann erst ernsthaft überprüft werden, wenn die unter Verschluss gehaltenen Verkaufs-Verträge offengelegt werden. Jedoch ist es eher unwahrscheinlich, dass zwölf Jahre nach der Privatisierung die Rückabwicklung aufgrund von Sittenwidrigkeit oder einseitiger Benachteiligung rechtlich durchgesetzt werden kann.

Letztendlich ist der Rückkauf der Krankenhäuser die wahrscheinlich einzige erfolgversprechende Rekommunalisierungsoption. Ein Rückkauf kann jedoch nicht rechtlich erzwungen werden, sondern erfordert eine Einigung mit dem Mehrheitseigentümer. Außerdem ist ein Rückkauf der Öffentlichkeit nur vermittelbar, solange die Höhe des Kaufpreises sich noch in einem vertretbaren Rahmen bewegt. Ein unabhängiges Gutachten über den Kaufwert könnte als Orientierung dienen.

Eine Verkaufsabsicht des Mehrheitseigentümers könnte erreicht werden, wenn der politische Druck in der Stadt groß genug wäre und durch die Trockenlegung der Profitquellen Asklepios die Geschäftsgrundlage entzogen würde. Auch wenn eine Volksinitiative keine Rechtsverbindlichkeit besitzt, wäre sie ein gutes Instrument, um den notwendigen politischen Druck auf den Eigentümer aufzubauen und auszuüben. Das könnte ein erfolgreicher Volksentscheid mit ähnlich gutem Ergebnis wie 2004 leisten. Zudem können über den Krankenhausplan weitere Anforderungen (wie z.B. eine Mindestpersonalbemessung) an die Krankenhäuser gestellt werden, die für eine bessere Qualität sorgen, aber die Profitmöglichkeiten (z.B. von Asklepios) beschränken. Zudem steuert ein Krankenhausplan auch die Kapazitäten der einzelnen Häuser.

Natürlich ist die Auseinandersetzung um mehr Pflegepersonal bzw. eine Personalbemessung von zentraler Bedeutung. Denn der Kampf um Personalbemessung in den Krankenhäusern ist zugleich der Kampf gegen die Ökonomisierung in den Krankenhäusern und kann die Profitlogik auch bei Asklepios durchbrechen. Die exorbitanten Gewinne in den Asklepios-Kliniken wären mit Mindestpersonalbesetzungen auf den Stationen schlicht nicht mehr möglich. Die Möglichkeit durch das Einsparen von Pflegepersonal mehr Profit zu erzielen, wäre nicht mehr vorhanden. Nur wenn dem Asklepios-Konzern die Möglichkeit genommen wird Extra-Profite auf den Rücken der Beschäftigten zu erwirtschaften, kann erreicht werden, dass der Eigentümer die Lust am Krankenhaus–„Geschäft“ verliert. Deshalb ist es auch vor diesem Hintergrund wichtig und notwendig, dass die LINKE Seit’ an Seit’ mit den Beschäftigten für die gesetzliche Personalbemessung kämpft.

Noch nie hat es in Deutschland eine Rekommunalisierung eines privatisierten Krankenhauses gegeben. Sie ist nur mit den Beschäftigten und mit Unterstützung breiter Teile der Hamburger Bevölkerung möglich. Das erfordert eine langfristig angelegte politische Kampagne in einem breiten Bündnis mit den Beschäftigten, Patientenvertretungen und anderen Organisationen aus der Zivilgesellschaft. DIE LINKE kann und muss die treibende Kraft in solch einem Bündnis sein, aber ohne starke Bündnispartner an ihrer Seite kann die Rekommunalisierung der Krankenhäuser nichts weiter sein als ein Wunschtraum.

Letztendlich sind die Hürden für die Rekommunalisierung hoch. Aber nicht unüberwindbar.

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