Bericht aus der Hamburger Ärztezeitung Von Kai-Uwe Helmers und Prof. Dr. Jochen Dahm-Daphi
Versorgungsqualität:Die zunehmende Ökonomisierung in deutschen Krankenhäusern hat negative Folgen – darüber waren sich Teilnehmer einer Veranstaltung des „Vereins demokratische Ärzte“ und des Vereins „Solidarisches Gesundheitswesen“ im März einig. Helfen kann politisches Engagement.
„Gesundheit versus Profit – zur Ökonomisierung der Medizin“ unter dieser Überschrift hatten am 21. März der verein demokratischer ärztinnen und ärzte (vdää) und der Verein „Solidarisches Gesundheitswesen“ zu einer Veranstaltung in der Altonaer Werkstatt 3 über die Bedingungen und Auswirkungen der zunehmenden Ökonomisierung medizinischer Versorgung in Deutschland eingeladen. Dr. Nadja Rakowitz, Medizinsoziologin und vdää-Geschäftsführerin, berichtete über die Entwicklung der letzten Jahrzehnte. So war es in der alten Bundesrepublik Krankenhäusern untersagt, Gewinne zu erzielen. Das wurde nach 1985 im Zuge des neoliberalen Wandels ins Gegenteil verkehrt. Krankenhäuser wurden zu einem gewinnversprechenden Geschäftsfeld – ein tiefgreifender Prozess der Privatisierung mit weitreichenden Folgen für die Krankenversorgung und auch für die Arbeitsbedingungen nahezu sämtlicher Beschäftigter (mehr dazu in der Broschüre „Krankenhaus statt Fabrik“, erhältlich als PDF unter www.krankenhaus-statt-fabrik.de/196).
Obwohl diagnosebezogene Fallgruppen (DRG) als Klassifikationssystem für ein pauschaliertes Abrechnungsverfahren in vielen Ländern benutzt werden, stellen sie in keinem anderen Land die nahezu alleinige Grundlage für die Krankenhausfinanzierung dar, so wie das in Deutschland der Fall ist. Mit Einführung von Fallpauschalen sollte die Zahl der Krankenhausbetten abgebaut werden (nur sehr bedingt gelungen), das DRG-System führte jedoch nach 1996 zu einer deutlichen Steigerung der Fallzahlen in deutschen Krankenhäusern und entsprechenden Kostensteigerungen. Es ist unsere gesundheitspolitische Aufgabe, vom DRG-System abzurücken und eine vernünftige, bedarfsgerechte Krankenhausfinanzierung zu entwickeln. Privatisierung führt zu Profitstreben
Der gesundheitspolitische Sprecher der Bürgerschaftsfraktion DIE LINKE, Deniz Celik, ließ die über 20-jährige Geschichte der Privatisierung des Landesbetriebs Krankenhäuser (LBK) Revue passieren. Damals war es ein Schlag gegen die demokratische Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger Hamburgs, als die Privatisierung des LBK von der SPD eingeleitet und von der CDU gegen das klare Votum des Volksentscheids vollendet wurde. Die Verhandlungen und Verträge sind bis heute geheim geblieben. Finanziell bewahrheiteten sich die öffentlich geäußerten Erwartungen des Senats nicht. Pensionslasten liegen weiterhin größtenteils bei der Stadt, auf Miet- und Pachtzins hat Hamburg für 60 Jahre verzichtet. Asklepios kann hingegen stattliche Renditen verzeichnen. Die Versorgungsqualität hat gelitten, die gut beleumundeten Kliniken des LBK rangieren inzwischen in der Patientengunst an hinterster Stelle. Bezüglich der Personalsituation sei an den Brandbrief der Ärzte und Ärztinnen des Asklepios Krankenhauses St. Georg von 2016 erinnert.
Auch wenn alle Krankenhäuser den gleichen Strukturen unterwor- fen sind, so ist doch deutlich, dass die privaten immer an der Spitze bei den negativen Auswirkungen der Ökonomisierung liegen. Wäre der ehemalige LBK heute im Besitz des Senats, so wären die Zustände dort sicher ein Politikum. Im Anschluss kamen auch die (nicht unmöglichen) Perspektiven der Rekommunalisierung eines LBK zur Sprache.
Meike Saerbeck, Sprecherin des „Hamburger Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus“ berichtete über derzeitige Auseinandersetzungen zum Pflegenotstand an Hamburger Krankenhäusern. Deutschlandweit erfolgte zwischen 1996 und 2009 der Abbau von über 47.000 Stellen, was mit erheblicher Leistungsverdichtung und steigendem Arbeitsdruck einherging. Es ist vielerorts z. B. nicht mehr möglich, geforderte Hygienestandards einzuhalten. Die Einnahmen der Krankenhäuser wurden nicht für die Krankenversorgung ausgegeben, sondern überproportional für Investitionen. Aus Personalstellen wurden so Baustellen. Viele Pflegekräfte hätten in dieser Situation ihre Arbeitszeit reduziert, die Ausbildung abgebrochen oder die Arbeit ganz aufgegeben. Die durchschnittliche Berufsdauer beträgt in der Pflege nur noch 7 Jahre (!). Seit einigen Jahren regt sich jedoch Widerstand. Eine Vorreiterinnenrolle übernahm die Belegschaft der Berliner Charité, aber auch in zahlreichen anderen Kliniken kam es im letzten Halbjahr 2017 zu Streiks gegen die Arbeitsbedingungen. Saerbeck berichtete über die Initiative zu einem Volksentscheid über die gesetzliche Festschreibung einer personellen Mindestausstattung an Hamburger Kliniken, die die Krankenhausbetreiber nicht mehr unterlaufen dürfen. Das betrifft unter anderem die Berufsgruppen Pflege, Ärzte und Reinigungspersonal. Für die Pflege sieht die Vorlage zum Volksentscheid sehr gut begründete konkrete Personalschlüssel vor. Dem Senat wurden mehr als 27.000 zustimmende Unterschriften von Hamburger Bürgerinnen und Bürgern vorgelegt. Parteiübergreifend sollte jetzt die Chance ergriffen werden, das Hamburgische Krankenhausgesetz dahingehend zu erweitern.
Die Zeit scheint gekommen, zumal auch die Koalitionsvereinbarungen im Bund sich Wege aus dem Pflegenotstand zum Ziel gesetzt haben. Die in Hamburg fehlenden 4.000 Pflegestellen könnten, so Saerbeck, unter verbesserten Bedingungen durch zuvor abgewanderte Kräfte, durch Rückkehr aus Teilzeit oder durch die 1.700 LBK-Mitarbeiter besetzt werden, die seinerzeit nicht zum Wechsel in Pflege unter privatisierten Bedingungen bereit waren.
Die Diskussion war sehr konzentriert und spiegelte das mittlerweile weit verbreitete Wissen um diese Dinge. Im Publikum gab es Einig- keit darüber, dass in Krankenhäusern keine Gewinne erwirtschaftet werden sollten und eine bedarfsgerechte Pflege finanziert werden muss. Die Arbeitsbedingungen müssen dringend verbessert werden. Grundsätzlich wäre es besser, in Krankenhäusern, als Elementen der Daseinsvorsorge, mehr gesellschaftlichen Einfluss und Partizipation zuzulassen. Wenig beispielgebend kann das fast komplett durchökonomisierte Gesundheitswesen der USA sein, bei dessen Bewertung zum einen der Ausschluss Millionen von Menschen aus der Versor- gung bedacht werden muss und zum anderen der ineffiziente Ein- satz von medizinischen Ressourcen. Auch könnten die gesetzlichen Krankenkassen in ihrem Bestand gefährdet sein, sollten diese sich vom Solidarprinzip verabschieden und unternehmerisch nach Gewinnen streben. Wir brauchen mehr solcher Veranstaltungen, um Berufsgruppen-übergreifend Perspektiven zu entwickeln, der Ökonomisierung und deren negativen Auswirkungen entgegenzuwirken.
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